Die Auswirkungen des Coronavirus führen in allen Bereichen der Gesellschaft zu erheblichen Beeinträchtigungen. Mit vergleichbaren Situationen hatten die meisten unter uns in ihrem Leben bislang noch keine Berührung. Dies führt auch Juristen auf neues Terrain. Unternehmen, die von behördlich angeordneten Schließungen betroffen sind, kommen in finanzielle Notlagen, da den laufenden Kosten regelmäßig keine Einnahmen entgegenstehen. Somit stellt sich für Mieter und Vermieter die Frage, welche rechtlichen Auswirkungen die behördlichen Nutzungsuntersagungen auf die Miete haben können.
Hierbei sind für das Gewerberaummietrecht zwei Fallkonstellationen voneinander zu unterscheiden, in denen die Nutzung der Gewerberäume infolge des Coronavirus beeinträchtigt sein kann.
1. Grundsatz: Mieter trägt Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko
Im ersten Fall steht der Unternehmer sowie dessen Mitarbeiter selbst unter staatlich angeordneter Quarantäne, weil er/sie positiv auf das Virus getestet wurden oder im Verdacht stehen, betroffen zu sein.
Im zweiten Fall ist das Unternehmen von den mittels Allgemeinverfügungen beschlossenen Schutzmaßnahmen betroffen, wie sie gegenwärtig in den Kommunen im Hinblick auf Cafés, Clubs, Restaurants, Fitnessstudios (aber auch im Falle des vollständigen „Shutdowns“ bei anderen Handels- und Dienstleistungsgewerben) angeordnet ist, wonach die Gewerbe für einen gewissen Zeitraum zu schließen haben.
In beiden Fällen führt die öffentlich-rechtliche Maßnahme der Nutzungsuntersagung dazu, dass der Gewerberaummieter daran gehindert wird, die von ihm gemieteten Räume zu nutzen. In beiden Fällen liegt der Grund für die entfallene Nutzbarkeit für den Gewerbetrieb nicht in der konkreten Beschaffenheit der jeweiligen angemieteten Räume. Die Ursache liegt vielmehr in persönlichen (Fall 1) bzw. betriebsbezogenen (Fall 2) Umständen. Betriebsbezogene Umstände sind dabei das Gegenteil von objektbezogenen Umständen (BGH NZM 2014, S. 165; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 – XII ZR 63/90). Der Anlass der vorübergehenden Schließung des Betriebs liegt nicht darin begründet, wo es betrieben wird, sondern darin, was dort betrieben wird.
Eine solche Beeinträchtigung der Nutzbarkeit führt in den meisten Fällen nicht zu einer Mietminderung. Eine Minderung der Miete tritt nach den Vorgaben des Gesetzes dann ein, wenn ein Mietmangel gemäß § 536 BGB vorliegt. Dabei muss die vereinbarte Beschaffenheit von der tatsächlichen Beschaffenheit negativ abweichen. Zur Frage, ob und wann eine öffentlich-rechtliche Einschränkung des Gebrauchs einer Mietsache einen Mangel der Mietsache darstellt, führt das OLG Dresden in seinem Beschluss vom 1. Juni 2017 – 5 U 477/17 – im Fall einer für Lackierarbeiten angemieteten Halle klar aus:
„Zwar können öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder –hindernisse zu einem Mangel der Mietsache (…) führen (…). Das gilt allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben.“
Allerdings kommt es, wie immer, auf den Einzelfall an. Sollten die Vertragsparteien nämlich im Gewerberaummietvertrag das Nutzungsrisiko nicht auf den Mieter übertragen haben, bestehen ggfls. rechtliche Anknüpfungspunkte für die Annahme eines Mietmangels. Es empfiehlt sich daher, den Mietvertrag eingehend prüfen zu lassen.
2. Anpassung der Miete wegen höherer Gewalt
In Betracht könnten eine Anpassung der vereinbarten Miete oder auch eine vorübergehende Stundung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB wegen höherer Gewalt kommen. Verändert sich die Geschäftsgrundlage eines Vertrages nach seinem Abschluss schwerwiegend oder entfällt sie ganz, so kann dies einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages begründen, wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, hätten sie die Veränderung vorausgesehen und wenn einer Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist.
Nach der Rechtsprechung ist der Rückgriff auf die allgemeinen Regeln im Anwendungsbereich der Mietmängelgewährleistungsvorschriften jedoch grundsätzlich ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 – XII ZR 63/90, Rz. 20). Mit den Entwicklungen und Auswirkungen der Marktlage infolge einer Pandemie hatte sich der BGH freilich noch nicht zu beschäftigen. Es bleibt offen, ob die Rechtsprechung diese Sachlage als Ausnahme für die Anwendbarkeit der Störung der Geschäftsgrundlage begreift. Im Hinblick auf die Frage, ob bezüglich der Miete oder der Mietzahlungsmodalitäten eine abweichende vertragliche Regelung getroffen worden wäre, kommt es insbesondere auf die Umstände des Einzelfalls und die Verhandlungshistorie an. Eine eingehende Prüfung der Umstände des Vertragsschlusses lohnt daher und kann unter Umständen zu einer Risikoverlagerung führen.
3. Entschädigungsansprüche gegen den Staat
Neben Ansprüchen gegen den Mieter kommen Ansprüche auf Entschädigung gegen den Staat in Betracht. Die Rechtslage ist für beide der genannten Fälle unterschiedlich zu beantworten.
Im ersten Fall, also dort, wo der Mieter selbst unter Quarantäne gestellt wird, hat er Entschädigungsansprüche nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes, die im Einzelfall (was jeweils zu prüfen ist) auch eine angemessene Entschädigung für eine zu leistende Miete während der Quarantäne umfassen kann.
Auf den zweiten Fall ist die Vorschrift des § 56 des Infektionsschutzgesetzes nicht unmittelbar anwendbar, da die angeordnete Schließung auf § 28 des Infektionsschutzgesetzes beruht, der eine Entschädigung nicht vorsieht. Ob eine analoge Anwendung der Regelung in Betracht kommt, ist bislang durch die Rechtsprechung nicht geklärt.
4. Fazit
Ohne Weiteres die Miete zu mindern, ist nicht ratsam. Kürzt ein Mieter die Miete, obwohl hierzu kein berechtigter Grund vorliegt, kann dies den Vermieter zur fristlosen oder auch ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen. Dabei wird sich ein Mieter auch in diesen besonderen Zeiten nicht darauf stützen können, seine Liquidität sei aufgebraucht oder er habe aus einem anderen Blickwinkel in diesen besonderen Zeiten keine andere Wahl gehabt. Für die rechtliche Bewertung gilt dabei der Grundsatz „Geld hat man zu haben“. Möglich bleibt selbstverständlich die einvernehmliche Vereinbarung der Reduzierung der Miete. Einen Anspruch darauf, dass der Vermieter auf so etwas eingeht, hat der Mieter nicht. Allerdings wird ein Vermieter auch meist kein Interesse daran haben, dass sein Mieter in derartige Liquiditätsschwierigkeiten gerät, dass der Betrieb des Mieters schließen muss und der Vermieter damit mittelfristig ohne zahlenden Mieter dasteht. Offensichtlich wird sich für den Vermieter in der aktuellen Situation die Suche nach gewerblichen Mietern schwierig gestalten.
Ist der Vermieter bereit, einem Mieter auf die vorbeschriebene Weise entgegen zu kommen, ist jedoch bei solchen Mietverträgen Vorsicht geboten, die für einen längeren Zeitraum als ein Jahr befristet sind. Denn dort ist das Schriftformerfordernis des § 550 BGB zu beachten, wonach der vereinbarte Vertragsinhalt schriftlich zu erfassen ist, und zwar auch für nachträgliche Vereinbarungen. Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führt zwar nicht zur Unwirksamkeit der Nachtragsvereinbarung oder des gesamten Vertrages, jedoch dazu, dass das Mietverhältnis fortan nicht mehr befristet ist, sondern unbefristet läuft und daher vor Ablauf der ursprünglich angedachten Laufzeit gekündigt werden kann. Diese Problematik gilt in der Praxis vor allem für Gewerberaummietverhältnisse und ist dort umso schwerwiegender, da ein Vermieter dort (anders als im Wohnraummietrecht) ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes ordentlich kündigen kann.
5. Bundestag verabschiedet Paket gegen Corona-Folgen
Der Gesetzgeber hat nun am 27. März 2020 umfangreiche Gesetzesänderungen (BGBl I 2020, 527) zum Kampf gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie verabschiedet. Diese beinhalten auch Regelungen für Mieter, die (etwa aufgrund von angeordneten Betriebsschließungen) in Liquiditätsprobleme geraten sind.
Mieter, die von der Corona-Krise wirtschaftlich betroffen sind, erhalten durch die Neuregelungen des Gesetzgebers ein Moratorium für ihre Verpflichtungen zur pünktlichen Mietzahlung. Dies erfolgt durch die Einschränkungen des Rechts des Vermieters zur Kündigung von Mietverhältnissen aufgrund ausgebliebener Mietzahlungen. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Gewerberaummietverträge. Der Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Nichtleistung ist von dem Mieter glaubhaft zu machen. Der Mieter muss demnach die Tatsachen darlegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der Corona-Pandemie beruht. Dazu soll der Mieter unter anderem darauf verweisen können, dass der Betrieb seines Unternehmens im Rahmen der Corona-Pandemie untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist.
Die gesetzliche Stundung ist zunächst für die Dauer von zwei Jahren vorgesehen. Ein Kündigungsrecht des Vermieters ist somit bis zum 30. Juni 2022 ausgeschlossen. Der Mieter hat bis dahin Zeit, seine Mietrückstände auszugleichen. Danach lebt das Kündigungsrecht des Vermieters wieder auf.
Ein Recht zur Verweigerung der Mietzahlung wurde dem Mieter damit jedoch nicht zugesprochen. Leistet der Mieter die Miete nicht oder nicht vollständig, so gerät er weiterhin in Verzug. Der Vermieter bleibt somit berechtigt, die Mietforderungen durchzusetzen, eine eventuell gewährte Mietkaution oder Mietgarantie zu verwerten, gegen möglicherweise bestehende Forderungen des Mieters aufzurechnen oder von seinem Vermieterpfandrecht Gebrauch zu machen. Auch bleibt das Recht, den Mietvertrag aus anderen Gründen als dem Mietrückstand zu kündigen, von der neuen Regelung unberührt. Vermietern ist damit zu empfehlen, einen Mietrückstand schnellstmöglich titulieren zu lassen, um nach Ablauf des Moratoriums die offenen Mieten beitreiben zu können.
6. Zusammenfassung
Die Auswirkungen des Coronavirus führen in allen Bereichen der Gesellschaft zu Beeinträchtigungen. Insbesondere Unternehmen, die von behördlichen Nutzungsuntersagungen betroffen sind, geraten regelmäßig in erhebliche wirtschaftliche Engpässe. In diesen Fällen bedarf es einer gründlichen rechtlichen Prüfung der ihnen für die Verpflichtungen aus den Dauerschuldverhältnissen, wie Mietverträgen, zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Regelmäßig ist eine Minderung der Miete im gewerblichen Mietvertrag ausgeschlossen. Allerdings bestehen unter Umständen spezifische Regelungen im Mietvertrag, die eine Mietminderung ermöglichen. Auch ist auf Formulierungen in den Mietverträgen zu achten, die zweckentsprechende Nutzbarkeit der Einheit zur Grundlage des Mietvertrags machen, was zu einer Mietkürzung über das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage führen kann.
Schließlich hat der Mieter die Möglichkeit, aufgrund der kürzlich verabschiedeten gesetzlichen Regelungen, für die Dauer von 3 Monaten ab April 2020 die Mietzahlungen einstweilen zurück zu behalten. Er befindet sich damit zwar weiterhin im Verzug, kann aber aufgrund dessen nicht vom Vermieter gekündigt werden. Mieter, die hiervon Gebrauch machen, haben gegenüber dem Vermieter eine wirtschaftliche Beeinträchtigung durch die Corona-Pandemie glaubhaft zu machen. Das Recht des Vermieters zur Kündigung des Mietvertrags aufgrund Zahlungsverzuges lebt dann ab dem 1. Juli 2022 wieder auf, sofern die Mietschulden weiterhin bestehen.