Der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ liegt nun vor. Dies ist im Grunde die Einführung eines Unternehmensstrafrechts und sieht eine erhebliche Verschärfung vor für Unternehmen.

Das Unternehmensstrafrecht ist nicht neu. Durch die Möglichkeit der Verhängung einer Geldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 30 OWiG) können Unternehmen bereits jetzt empfindlich getroffen werden. Doch der nunmehr vorliegende Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“, das im Grunde die Einführung eines Unternehmensstrafrechts ist, sieht eine erhebliche Verschärfung vor. Nur der Name klingt versöhnlich, ist vielleicht dem Umstand geschuldet, dass gerade jetzt, wo viele Unternehmen aufgrund der Corona-Krise ums Überleben kämpfen, die Einführung eines Gesetzes zur Verfolgung von Unternehmen eher seltsam anmutet.

Die Einführung des Gesetzes wurde bereits mehrfach verschoben. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Dass das Gesetz noch immer nicht vom Tisch ist, haben wir bereits früher betont. Unternehmen sollten sich auf das mögliche Inkrafttreten vorbereiten, da mit dem Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft erstmalig Regelungen zu internen Untersuchungen gesetzlich normiert werden. Darüber hinaus werden die Errichtung und Fortentwicklung eines Compliance-Systems als Strafmilderungsgrund kodifiziert. Das wurde bislang auch von der Rechtsprechung schon in einzelnen Entscheidungen anerkannt.

Die wichtigsten Neuerungen auf einen Blick:

  • Die Verankerung des Legalitätsprinzips, also die Pflicht zur Verfolgung etwaiger Verstöße. Bislang hatte die Staatsanwaltschaft nach dem sogenannten Opportunitätsprinzip ein Entschließungsermessen. Durch diese Änderung wären mögliche Verhandlungsspielräume verschlossen.
    Der Referentenentwurf sieht bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. EUR die Möglichkeit vor, eine Verbandsgeldsanktion von bis zu 10% des durchschnittlichen Jahresumsatzes zu verhängen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 RefE). Das ist enorm, zumal in vielen Branchen die Gewinnmarge spürbar kleiner ist.
  • Die Öffentliche Bekanntmachung (§ 14 RefE). Die Öffentliche Bekanntmachung verdient aufgrund der damit verbundenen „Prangerwirkung“ Beachtung. Nach der Entwurfsbegründung soll dies „den Verband nicht an den Pranger stellen“, sondern den Verletzten der Straftat über mögliche Schadensersatzansprüche informieren, dennoch kann kaum ausgeschlossen werden, dass damit eine öffentliche Rufzerstörung einher gehen kann. Hinzu kommt, dass ein Verbandssanktionenregister gem. § 54 RefE eingerichtet wird. Das soll gem. § 54 Abs. 2 Nr. 1 RefE rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen über die Verbandssanktionen und gem. § 54 Abs. 2 Nr. 2 RefE die Eintragung der rechtskräftigen Entscheidungen über die Festsetzung einer Geldbuße nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) enthalten. Die rechtskräftigen Entscheidungen nach dem OWiG waren zwar bislang auch in den Gewerbe- und Wettbewerbsregistern eingetragen, die gebündelte Wirkung eines Verbandssanktionenregisters wird aber sicher deutlich fühlbarer werden.
  • Auch die Regelungen zur Rechtsnachfolge und Ausfallhaftung (§§ 6 und 7 RefE) sind bemerkenswert und dürfen keinesfalls vernachlässigt werden. Nach der Neuregelung soll sowohl bei einer Gesamtrechtsnachfolge als auch bei einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge die Möglichkeit bestehen, Sanktionen gegen den Rechtsnachfolger zu verhängen. Bei einem Unternehmenskauf ist der Käufer also gut beraten, vor möglichen Übernahmen eine besonders gründliche Prüfung durchzuführen.
  • Das Gesetz sieht neue Beendigungsmöglichkeiten für das Verfahren vor und passt sie zum Teil an die Möglichkeiten des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung an (§ 35 RefE, Absehen von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit – ähnlich aufgebaut wie der § 153 StPO; § 36 RefE, Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen – wie der § 153 a StPO). Besonders erwähnenswert ist die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach Auflagen wie Schadenswiedergutmachung oder Weisungen, sowie die Zahlung an die Staatskasse entsprechend der Einstellung gemäß § 153 a StPO. Diese Art der Einstellung kommt nur in Betracht, wenn das Ausmaß des Unterlassens angemessener Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten als gering anzusehen ist. Hier ist wieder der Bogen zur Quasi-Verpflichtung von Compliance-Maßnahmen gespannt.
  • Sehr wichtiger Bestandteil der Neuregelung ist die Honorierung von Vorsorgemaßnahmen in der Form einer funktionierenden Compliance. Es ist nicht nur so, dass gute Compliance-Maßnahmen zu weniger Verstößen gegen Gesetze führen, vielmehr führt ein gutes Compliance-System auch dazu, dass nicht verhinderte Verbandsstraftaten milder bestraft werden. Was ein funktionierendes, gutes Compliance-System ist, beschreibt das Gesetz nicht. Das muss im Einzelfall das Unternehmen selbst überlegen und aufbauen. Allerdings muss dies auch geschehen, da das Gesetz faktisch eine Pflicht zur Durchführung von Compliance-Maßnahmen enthält. Denn nur damit kann Schaden vom Unternehmen abgewendet werden.
  • Das Verfahren kann zudem eingestellt werden, wenn gem. § 39 RefE über das Vermögen des Verbandes ein Insolvenzverfahren eröffnet oder ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist.Ferner ist die Einstellungsmöglichkeit bei Durchführung von verbandsinternen Untersuchungen kodifiziert worden. Nach § 41 RefE kann die Verfolgungsbehörde bis zum Abschluss der verbandsinternen Untersuchung von der Verfolgung des Verbandes absehen.

Fazit

Unternehmen müssen sich darauf einstellen, künftig schneller von den Staatsanwaltschaften verfolgt zu werden. Unternehmen müssen daher vorsorgen und die eigenen Compliance-Systeme überprüfen oder gänzlich neu aufbauen, da diese nicht nur dazu führen sollten, dass keine Verbandsstraftat begangen wird, sondern die Strafzumessung bei Vorliegen einer Tat günstiger ausfallen wird.

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