Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19 Pandemie in Zivil-, Insolvenz-, und Strafverfahrensrecht (CorSchG) erweckt den Anschein, als ob damit im Wirtschaftlichen Leben bis zum 30.Juni 2020, das Strafbarkeitsrisiko für den Einzelnen minimiert würde, was trügerisch ist. Die Strafbarkeitsrisiken werden durch das CorSchG nicht beseitigt. Zwar wird eine Insolvenzverschleppung nicht mehr nachweisbar sein, so dass diese auch keine strafrechtliche Relevanz erlangen wird. Aber das Strafrecht reglementiert im geschäftlichen aber auch im persönlichen Bereich mehr als nur die Insolvenzverschleppung. Diese Normen werden nicht beseitigt.
Im Folgenden soll, weil zuallererst die Gesundheit kommt, auf strafrechtliche Risiken eingegangen werden, die sich in physischer Hinsicht ergeben (dazu I.), und sodann auf einige mögliche Verfehlungen aus dem Bereich der klassischen Wirtschaftskriminalität (dazu II.).
I. Strafbarkeit im Hinblick auf die Gefährdung von Leib und Leben
1. Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz und die Landesrechtlichen Verordnungen
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ermächtigt in § 28 IfSG die Länder, durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen.
Am 23.03.2020 haben sich Bund und Länder auf einheitliche Maßnahmen zum Kampf gegen das Corona-Virus geeinigt. Wer gegen eine dieser Anordnungen verstößt, kann sich strafbar machen. Die Straftatbestände des IfSG (§§ 74, 75 IfSG) sollen die Einhaltung der zum Schutze vor Infektionen nach dem IfSG angeordneten Maßnahmen sicherstellen.
Nach § 74 IfSG wird unter einer Androhung von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren derjenige geahndet, der gegen die angeordneten Maßnahmen verstößt und dabei einen Krankheitserreger verbreitet.
Nach § 75 IfSG werden Verhaltensweisen, wie derzeit Beispielsweise z.B. die Missachtung von Betretungsverboten, oder der Anordnung nur noch alleine, zu zweit oder mit Personen aus dem eigenen Haushalt such draußen zu bewegen unter Strafandrohung (bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe) gestellt, die gegen die nach dem § 28 IfSG verabschiedeten Rechtsverordnungen zuwiderhandeln.
2. Körperverletzung
Auch ohne behördliche Auflagen nach dem Infektionsschutzgesetz zu verstoßen, kann sich strafbar machen. Wer, obwohl er positiv getestet wurde, sich nicht von anderen fernhält, und dadurch seine Kontaktperson mit dem Corona-Virus ansteckt, macht sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung strafbar.
Die Ansteckung eines anderen mit dem Corona-Virus erfüllt den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung, denn „als Gesundheitsschädigung i.S. der §§ 223 ff. StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen, gleichgültig, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt, mit einer Schmerzempfindung braucht sie nicht verbunden zu sein“ (BGH, Urteil vom 04.11.1988 – 1 StR 262/88).
Die Frage wird sein, ob das Verhalten der den Virus tragenden Person jeweils geeignet ist, eine Ansteckung des Erkrankten und damit dessen Gesundheitsschädigung i.S. des § 223 Abs. 1 StGB zu bewirken. Nach allem, was wir derzeit über den Virus wissen, werden Sachverständige sicher dazu kommen, dass die Geeignetheit aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sein wird.
Wenn die Kontaktperson zu den sogenannten Risiko-Gruppen zählt, dann ist § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB mit der Voraussetzung einer „das Leben gefährdenden Behandlung“ tatbestandsmäßig. Die gefährliche Körperverletzung ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Allgemein anerkannt ist, dass eine solche Behandlung das Leben des Misshandelten im Einzelfall nicht äußerlich erkennbar in Gefahr gebracht werden muss. Vielmehr reicht es, dass die Tat sich – unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des einzelnen Falles – wegen ihrer allgemeinen Gefährlichkeit dazu eignet (so der BGH: BGHSt 2, 160, 163).
Die Vorsätzlichkeit des Handelns wird auch nicht von der Hand zu weisen sein. Denn, wer gegen die angeordneten Maßnahmen handelt, handelt zumindest mit bedingtem Verletzungsvorsatz. Denn dazu reicht es nach der allgemeinen Rechtsprechung, wenn die handelnde Person den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass sie sich zumindest damit abfindet, wenn sie auch die Erkrankung seiner Kontaktperson nicht wünscht.
Auch die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) ist tatbestandsmäßig, wenn die angesteckte Person verstirbt.
Wer noch nicht getestet wurde, aber aus Risiko-Gebieten kommt oder Symptome an sich erkennt, der läuft jedenfalls Gefahr, wegen fahrlössiger Körperverletzung geahndet zu werden.
Wer trotz eigenen Leichtsinnes dennoch Glück hatte, niemanden anzustecken, kann wegen versuchter Körperverletzung bestraft werden. Denn die versuchte Körperverletzung ist gemäß §§ 223 Abs. 2 i.V.m. 23 Abs. 1 StGB strafbar. Die Strafandrohung von bis zu fünf Jahren ist im Einzelfall wegen des Versuchs zu mildern, kann aber auch empindlich sein.
II. Wirtschaftskriminalität
Mit der Verschiebung der Insolvenzantragspflicht durch § 1 COVInsAG sind nicht alle Probleme gelöst, mit denen Geschäftsführer unter strafrechtlichen Aspekten zu kämpfen haben und haben werden. In der Krise genießt zwar der Tatbestand der Insolvenzverschleppung besondere Aufmerksamkeit. Wer sich den Regelungsvorschlag kritisch anschaut, wird erhebliche persönliche Risiken für die Geschäftsführer identifizieren.
Daher dürfen die folgenden Tatbestände nicht missachtet werden:
1. Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB)
Jeden Monat werden auf die Löhne die Sozialversicherungsbeiträge fällig, und das in zwei Teilen: Die der Arbeitgeber und die der Arbeitnehmer. Den Anteil des Arbeitnehmers führt für ihn sein jeweiliger Arbeitgeber ab, dieser ist also eine Art Treuhänder. Wird nun dieser Betrag nicht an die Sozialkassen überwiesen, dann führt das direkt in die Strafbarkeit. Das Vorenthalten der Sozialversicherung ist unabhängig davon, ob der Lohn gezahlt wird. Auch wenn das Geld für die Löhne nicht mehr reicht, sollten die Geschäftsführer daher zumindest den Sozialversicherungsbetrag der Arbeitnehmer abführen.
2. Eingehungsbetrug (§263 StGB)
Ein Unternehmen tätigt noch fleißig Bestellungen, obwohl das Geld für die Bezahlung nicht mehr gesichert ist. In Zeiten von CORVID-19 ist ein rasanter Verfall der allgemeinen Zahlungsmoral zu beobachten. Verständlich, denn vielen Unternehmen, die ihre Geschäfte einstellen oder zumindest drastisch reduzieren müssen, gehen die liquiden Mittel aus, die sie zum Überleben brauchen.
Diese rapide sinkende Zahlungsmoral führt dazu, dass die eigene Liquiditätsvorschau jedes Unternehmens kurzfristig nach zu justieren sein wird. Durchaus ist nicht mehr ohne Weiteres mit pünktlichen Zahlungseingängen von Kunden zu rechnen. Außerdem ist die Justiz in vielen Städten auf Notbetrieb gegangen, eine Durchsetzung von Ansprüchen ist effektiv kaum möglich. Je weiter diese Entwicklung fortschreitet, desto näher rückt die Gefahr des Eingehungsbetruges.
3. Bankrott (§ 283 StGB)
Dazu gehört etwa das Beiseiteschaffen von Vermögen, um es in der Insolvenz vor dem Zugriff der Gläubiger zu bewahren.
4. Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB)
Nur gelegentlich wird die Verletzung von Buchführungspflichten bestraft. Es besteht das Risiko, dass die Rechtsmeinung vertreten wird, dass Geschäftsführer die Vergütung für den Steuerberater zurücklegen und sichern müssten, um zu gewährleisten, dass die Bilanz rechtzeitig aufgestellt wird (vgl. Beckemper JZ 2003, 806. Obiter hierauf hinweisend BGH 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NStZ 2012,511).