Auch im Strafprozess soll es nach dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19 Pandemie in Zivil-, Insolvenz-, und Srafverfahrensrecht (Corona-Schutzpaket) zu einer Änderung kommen. Geändert werden soll die Unterbrechungsfirst einer strafrechtlichen Hauptverhandlung. Mit dieser Gesetzesänderung wird es möglich sein, die Hauptverhandlung für drei Monate und 10 Tage zu unterbrechen.
Hauptverhandlungen im Strafverfahren dürfen nach dem § 229 Abs. 1StPO derzeit bis zu drei Wochen und, wenn sie länger als zehn Verhandlungstage angedauert haben, bis zu einem Monat unterbrochen werden. Erst am 19. Dezember 2019 wurde diese Frist mit dem „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“ bereits einmal für die Fälle von Krankheit und Mutterschaft verlängert. Wie es sich heute deutlich zeigt, war jede Kritik an diesem Gesetz berechtigt. Denn es enthielt nichts von seiner Überschrift. Wer unter „Modernisierung“ die Digitalisierung, die audio-visuelle Aufzeichnung oder ähnliche, moderne Kommunikationsstrukturen suchte, tat dies vergeblich. Es zeigt sich mit verheerender Deutlichkeit, wie fahrlässig es war, es zu unterlassen, eine echte Modernisierung des Strafprozesses vorzunehmen. Denn hätten wir heute eine Aufzeichnung der Hauptverhandlung, dann wäre es in den meisten Fällen kein Problem, die Verhandlung länger zu unterbrechen.
In einer strafrechtlichen Hauptverhandlung etwa vor dem Landgericht wird kein Wortprotokoll geführt, die Beweisaufnahme wird auch nicht sonst irgendwie aufgezeichnet. Die Aufzeichnung der Beweisaufnahme war eine der wichtigsten Forderungen der Anwaltschaft an das Modernisierungsgesetz.
Wer bereits einmal an einer länger andauernden Hauptverhandlung teilgenommen hat, weiß, dass die Erinnerung schnell verblasst und selbst die eigene Mitschrift nach einer gewissen Zeit nichtssagend wird, da die Erinnerung an das Primärgeschehen in der Beweisaufnahme nachlässt. Nach drei Monaten weiß niemand mehr präzise, was in einer Hauptverhandlung gesagt und gemacht wurde. Dass die Unterbrechungsfrist in der StPO ursprünglich kurz war, diente dazu, das Wissen der Richter aus der eigenen Erinnerung zu bewahren. Das Gesetz sah in seiner Ursprungsform eine nur 10-tägige Unterbrechungsmöglichkeit vor. Sie ist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I, S. 2198) geändert und auf drei Wochen verlängert worden (§ 229 Abs. 1 StPO).
Wenn mit dem „Corona-Paket“ nunmehr mehrfach bis zu über drei Monate unterbrochen werden darf, wird der unmittelbare Eindruck von der Hauptverhandlung für die Entscheidung nicht mehr abrufbar sein.
Mit dem „Corona-Paket“ soll eine zusätzliche Unterbrechungsmöglichkeit für die Unterbrechung einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung geschaffen werden (§ 10 des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung). Damit soll verhindert werden, dass eine Hauptverhandlung aufgrund der aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens ausgesetzt und neu begonnen werden muss. Der Tatbestand soll unabhängig von der bisherigen Dauer der Hauptverhandlung, also auch für solche Hauptverhandlungen, die noch nicht zehn Verhandlungstage angedauert haben, gelten. Auch darüber hinaus ist der Tatbestand weit gefasst, es ist danach nicht erforderlich, dass der Angeklagte oder eine zur Urteilsfindung berufene Person selbst erkrankt ist oder sich in Quarantäne befindet. Ein Hindernis für die Durchführung der Hauptverhandlung soll dann auch vorliegen, wenn es nur mittelbar auf gerichtlichen oder gesundheitsbehördlichen Schutzmaßnahmen beruht. Die Vorschrift des § 229 StPO gilt im Übrigen uneingeschränkt, was dazu führt, dass eine Hauptverhandlung insgesamt für drei Monate und zehn Tage unterbrochen werden kann.
Das ist unter Berücksichtigung der Verteidigungs- und Freiheitsrechte von Beschuldigten nicht tragbar. Eine Hauptverhandlung in Strafsachen ist für die Angeklagten eine immense Belastung. Deren Unterbrechung von drei Monaten mit dem Wissen, dass noch nicht alles überstanden ist, ist für viele unerträglich.
Viel gewichtiger ist aber, dass das „Corona-Paket“ auch keinen Unterschied für Verfahren macht, in denen die Angeklagten inhaftiert sind. In solchen Fällen herrscht eigentlich das Beschleunigungsgebot. Mit der Fristverlängerung wird dieses vollkommen missachtet, ohne dass im Gesetz eine Erläuterung, Milderung oder gar eine Entschädigung vorgesehen ist.
Dass diese Regelung ein Jahr nach dem Inkrafttreten wieder außer Kraft treten soll, ist dabei nur ein schwacher Trost.