Das Wichtigste im Überblick

  • Das Verbraucherinsolvenzverfahren hilft überschuldeten Personen dabei, ihre finanzielle Situation zu bereinigen – durch eine strukturierte Abwicklung und anschließende Wohlverhaltensperiode können Restschulden erlassen werden.
  • Voraussetzung ist die Zahlungsunfähigkeit – Sie müssen nachweisen, dass Sie Ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können und kein realistischer Weg zur finanziellen Erholung besteht.
  • Der Weg führt über mehrere Phasen: außergerichtlicher Einigungsversuch, gerichtliches Verfahren mit Verwertung des Vermögens und anschließende Wohlverhaltensperiode mit möglicher Restschuldbefreiung.

Ein Neuanfang für überschuldete Privatpersonen

Die private Insolvenz stellt für viele Menschen den einzigen Ausweg aus einer aussichtslosen finanziellen Situation dar. Wenn Schulden das Leben bestimmen und kein realistischer Weg zur vollständigen Tilgung erkennbar ist, ermöglicht das deutsche Insolvenzrecht einen gesetzlich geregelten Neuanfang.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung (InsO) wurde geschaffen, um redlichen Schuldnern eine zweite Chance zu geben. Anders als bei der Unternehmensinsolvenz steht hier nicht die Sanierung oder Fortführung eines Betriebs im Vordergrund, sondern die möglichst faire Verteilung der vorhandenen Vermögenswerte auf die Gläubiger und die Befreiung des Schuldners von den verbleibenden Verbindlichkeiten.

Die Bedeutung dieses Verfahrens zeigt sich in den Zahlen: Jährlich beantragen zehntausende Deutsche die Verbraucherinsolvenz. Die Gründe sind vielfältig – von Arbeitslosigkeit über Krankheit bis hin zu gescheiterten Selbstständigkeiten oder unüberlegten Finanzierungen.

Rechtliche Grundlagen des Verbraucherinsolvenzverfahrens

Das private Insolvenzverfahren ist in den §§ 304–314 der Insolvenzordnung (InsO) geregelt.

Voraussetzungen für das Verfahren:

Nach § 304 InsO können natürliche Personen das vereinfachte Insolvenzverfahren beantragen, wenn sie keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben. Auch ehemals Selbstständige können das Verfahren nutzen, sofern ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind (weniger als 20 Gläubiger) und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen.

Die zentrale Voraussetzung ist das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes, also entweder Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO oder drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Drohende Zahlungsunfähigkeit besteht, wenn absehbar ist, dass der Schuldner künftig seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann.

Der außergerichtliche Einigungsversuch:

Vor der Antragstellung muss nach § 305 InsO ein ernsthafter Versuch unternommen werden, sich außergerichtlich mit den Gläubigern über eine Schuldenbereinigung zu einigen. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass tatsächlich eine Einigung erzielt wird – der nachweisliche Versuch und das Scheitern dieses Versuchs genügen.

Der Schuldner kann selbst mit den Gläubigern verhandeln. Für den Insolvenzantrag ist jedoch eine Bescheinigung über das Scheitern des Einigungsversuchs erforderlich, die von einer geeigneten Stelle oder Person – etwa einer Schuldnerberatung, einem Rechtsanwalt oder Steuerberater – ausgestellt werden muss.

Wir unterstützen Sie bereits in dieser frühen Phase dabei, realistische Vergleichsvorschläge zu entwickeln und professionell mit Ihren Gläubigern zu verhandeln. Oft lassen sich durch geschickte Verhandlungsführung bessere Ergebnisse erzielen als im späteren gerichtlichen Verfahren.

Die Phasen des Insolvenzverfahrens im Detail

Phase 1: Antragstellung und Eröffnung

Der Insolvenzantrag muss beim zuständigen Amtsgericht gestellt werden. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dem Antrag sind umfangreiche Unterlagen beizufügen:

  • Vermögensverzeichnis mit allen Vermögensgegenständen
  • Gläubigerverzeichnis mit sämtlichen Verbindlichkeiten
  • Einkommens- und Ausgabenaufstellung
  • Nachweis des gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuchs
  • Abtretungserklärung für das pfändbare Einkommen

Das Gericht prüft die Eröffnungsvoraussetzungen. Bei Verbraucherinsolvenzverfahren wird regelmäßig Verfahrenskostenstundung gewährt, da die Schuldner typischerweise nicht über ausreichende Mittel zur Kostendeckung verfügen.

Phase 2: Verwertung und Verteilung

Nach Verfahrenseröffnung übernimmt der Insolvenzverwalter die Verwertung des vorhandenen Vermögens. Bei Verbraucherinsolvenzverfahren wird regelmäßig ein Treuhänder bestellt. Dieser übernimmt die Verwaltung und Verwertung des pfändbaren Vermögens des Schuldners.

Geschützt sind insbesondere:

  • Unpfändbare Gegenstände nach § 811 ZPO (z. B. Kleidung, Hausrat, Werkzeuge)
  • Der unpfändbare Teil des Einkommens nach § 850c ZPO
  • Aussonderungsrechte Dritter, etwa bei Eigentumsvorbehalt

Die Gläubiger können ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Werden Forderungen bestritten, erfolgt die Klärung im Feststellungsverfahren.

Phase 3: Wohlverhaltensperiode

Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt die dreijährige Wohlverhaltensperiode. Der Schuldner muss dabei strenge Auflagen erfüllen:

  • Abtretung des pfändbaren Teils des Einkommens an einen Treuhänder
  • Anzeige von Wohnsitzwechseln
  • Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit
  • Anzeige von Vermögenszuwachs

Bei Verstößen gegen diese Pflichten kann die Restschuldbefreiung versagt werden.

Praktische Tipps für Betroffene

Frühe Beratung suchen

Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sobald Sie merken, dass Ihre finanzielle Situation außer Kontrolle gerät. Je früher Sie handeln, desto mehr Optionen stehen Ihnen zur Verfügung. Eine außergerichtliche Einigung ist oft kostengünstiger und schneller als das gerichtliche Verfahren.

Vollständige Dokumentation

Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen systematisch. Dazu gehören Verträge, Kontoauszüge, Lohnabrechnungen und sämtliche Korrespondenz mit Gläubigern. Eine lückenlose Dokumentation beschleunigt das Verfahren erheblich.

Ehrlichkeit und Transparenz

Verschweigen Sie keine Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten. Falsche Angaben können nicht nur die Restschuldbefreiung gefährden, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Das Gericht und der Treuhänder sind verpflichtet, Unstimmigkeiten zu prüfen.

Realistische Einschätzung

Entwickeln Sie ein realistisches Bild Ihrer finanziellen Situation. Überschätzen Sie nicht Ihre künftigen Einkommensmöglichkeiten und unterschätzen Sie nicht die Zeit, die für eine Sanierung benötigt wird.

Wir begleiten Sie durch alle Phasen des Verfahrens und sorgen dafür, dass Sie keine wichtigen Fristen versäumen oder Fehler begehen, die Ihre Restschuldbefreiung gefährden könnten.

Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Erstberatung. Wir prüfen Ihre Situation, erläutern Ihnen alle Optionen und entwickeln gemeinsam die optimale Strategie für Ihren Neuanfang.

Checkliste: Vorbereitung auf das Insolvenzverfahren

Das Insolvenzverfahren ist komplex und fehleranfällig. Jeder der folgenden Punkte kann bei falscher Handhabung Ihre Restschuldbefreiung gefährden oder unnötige Kosten verursachen. Lassen Sie uns gemeinsam sicherstellen, dass Sie alle Schritte korrekt durchlaufen:

Vor der Antragstellung:

  • Vollständige Aufstellung aller Gläubiger mit aktuellen Forderungen
  • Nachweis aller Vermögensgegenstände (Konten, Versicherungen, Immobilien)
  • Einkommens- und Ausgabenaufstellung der letzten sechs Monate
  • Außergerichtlicher Einigungsversuch dokumentiert
  • Beratung durch qualifizierte Stelle in Anspruch genommen
  • Kündigungsschutz bei Mietverhältnissen geprüft
  • Schutz wichtiger Vermögensgegenstände vorbereitet

Während des Verfahrens:

  • Mitwirkungspflichten gegenüber Insolvenzverwalter erfüllen
  • Alle Einkünfte ordnungsgemäß offenlegen
  • Wohnsitzwechsel umgehend anzeigen
  • Vermögenszuwachs melden
  • Angemessene Erwerbstätigkeit aufnehmen oder nachweisen

In der Wohlverhaltensperiode:

  • Pfändbaren Einkommensanteil an Treuhänder abführen
  • Halbjährliche Bescheinigungen fristgerecht einreichen
  • Bei Problemen rechtzeitig Kontakt zu Treuhänder oder Anwalt aufnehmen
  • Keine neuen Schulden ohne Zustimmung eingehen
  • Fortbildungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Erwerbssituation nutzen

Häufig gestellte Fragen

Wie lange dauert ein komplettes Insolvenzverfahren?

Das gerichtliche Verfahren dauert in der Regel mehrere Monate, abhängig von der Komplexität des Falles. Daran schließt sich die dreijährige Wohlverhaltensperiode an. Insgesamt müssen Sie mit etwa vier Jahren rechnen, bis Sie die Restschuldbefreiung erhalten.

Verliere ich mein Auto in der Insolvenz?

Das kommt auf den Wert und die Finanzierung an. Ein einfaches, notwendiges Fahrzeug für den Arbeitsweg bleibt oft geschützt. Luxusfahrzeuge oder hochwertige Autos müssen meist verwertet werden. Bei Leasingfahrzeugen endet der Vertrag automatisch.

Kann ich während der Wohlverhaltensperiode einen Kredit aufnehmen?

Die Aufnahme neuer Kredite während der Wohlverhaltensperiode ist nicht ausdrücklich verboten, kann aber im Einzelfall problematisch sein und zur Versagung der Restschuldbefreiung führen, wenn dadurch die Gläubigerinteressen gefährdet werden.

Was passiert mit meiner Lebensversicherung?

Lebensversicherungen mit Rückkaufswert gehören grundsätzlich zur Insolvenzmasse und müssen verwertet werden, sofern keine besonderen gesetzlichen Ausnahmen, wie etwa bei geförderten Altersvorsorgeverträgen (§ 851c ZPO), greifen.

Muss mein Ehepartner auch Insolvenz anmelden?

Nein, die Insolvenz wirkt nur gegen den Schuldner persönlich. Allerdings kann das Einkommen des Partners bei der Berechnung des pfändbaren Betrags berücksichtigt werden.

Erfahren mein Arbeitgeber oder meine Familie von der Insolvenz?

Die Insolvenz wird heute ausschließlich online unter www.insolvenzbekanntmachungen.de öffentlich bekannt gemacht. Ihr Arbeitgeber erfährt davon in der Regel nur, wenn er selbst Gläubiger ist oder wenn eine Lohnpfändung erforderlich wird. Eine automatische Benachrichtigung an den Arbeitgeber oder die Familie erfolgt nicht; allerdings sind die Informationen öffentlich und können von jedem eingesehen werden, der gezielt danach sucht

Kann ich die Restschuldbefreiung auch nach drei Jahren noch verlieren?

Ja, wenn schwerwiegende Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflichten festgestellt werden. Dazu gehören Vermögensverschleierung, mangelnde Erwerbsbemühungen oder Verstöße gegen die Auskunftspflichten.

Was passiert mit Schulden, die nach der Verfahrenseröffnung entstehen?

Neue Schulden nach Verfahrenseröffnung fallen nicht unter die Restschuldbefreiung. Sie müssen separat beglichen werden. Deshalb ist es wichtig, während der Wohlverhaltensperiode keine neuen Verbindlichkeiten einzugehen.
Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner