Im Rahmen der durch die EU im Jahr 2019 verabschiedeten Richtlinie zur Restrukturierung und Insolvenz (EU-Richtlinie 2019/1023; wir berichteten) wurden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Regelungen zu verabschieden wonach unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Diese Richtlinie ist durch die Mitgliedsstaaten bis spätestens zum 17.07.2021 in nationales Recht umzusetzen.
Am 01.07.2020 wurde durch die Bundesregierung nunmehr ein Gesetzesentwurf beschlossen, welcher die Richtlinienvorgaben zur Restschuldbefreiung umsetzen soll. Nachdem der Gesetzesentwurf am 07.08.2020 zur Beratung eingebracht wurde, wird der Bundestag am Mittwoch, 9. September 2020, in erster Lesung über den Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens debattieren. Grund Genug sich die wesentlichen Punkte und Änderungen noch einmal vor Augen zu führen.
Hintergrund
Die doch recht plötzliche Umsetzung der Richtlinie ist nach Aussage der Bundesjustizministerin Christine Lambrecht wohl insbesondere auch auf die aktuelle Coronakrise und die damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten für viele Verbraucher zurückzuführen. Selbstständigen und Privatpersonen soll ein schneller Neuanfang ermöglicht werden und dafür sorgen, dass Betroffene schneller wieder aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können.
Der von der Bundesregierung verabschiedete Gesetzesentwurf geht dabei sogar noch weiter als die Richtlinie es vorschreibt. Die Restrukturierungsrichtlinie sieht vor, dass lediglich unternehmerisch tätige Personen Zugang zu dem verkürzten Verfahren haben müssen. Der Entwurf der Bundesregierung sieht jedoch eine Verfahrensverkürzung für alle Verbraucher vor. Die Regelungen für die Verkürzung von Verbraucherinsolvenzverfahren sind hierbei zunächst bis zum 30.06.2025 befristet.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung gilt somit für alle Insolvenzverfahren natürlicher Personen die ab dem 01.10.2020 beantragt werden das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren. Verbraucher können somit nach drei Jahren Restschuldbefreiung erlangen.
Verkürzung der Wohlverhaltensphase – hard cut
Die Verkürzung der Frist für die Erlangung der Restschuldbefreiung gilt ab dem 01.10.2020. Ausweislich des Art. 103k des Einführungsgesetztes zur Insolvenzordnung verkürzt sich die Abtretungsfrist für Verfahren die zwischen dem 17.12.2019 und 30.09.2020 beantragt wurden schrittweise. Ab dem 01.10.2020 gibt es dann einen harten Schnitt und es gilt ausschließlich die dreijährige Frist. Dies führt in der Folge jedoch zu durchaus kuriosen Ergebnissen. Für ein am 30.09.2020 beantragtes Insolvenzverfahren beträgt die Dauer der Wohlverhaltensphase noch vier Jahre und zehn Monate, würde der Schuldner seinen Antrag jedoch erst am 01.10.2020 stellen, beträgt die Frist nur noch drei Jahre. Dies sollten Verbraucher und Berater in Auge behalten.
Aufhebung von Berufsverboten
Sofern aufgrund der Insolvenz des Schuldners ein Berufsverbot ausgesprochen wurde, so tritt dieses mit Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Dies gilt allerdings nicht für die Aufhebung und Zulassung einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.
Längere Fristen bei erneuter Insolvenz
Wurde einem Schuldner nach den neuen Vorschriften bereits Restschuldbefreiung erteilt, so kann er einen weiteren Antrag nunmehr erst nach elf und nicht mehr wie früher nach zehn Jahren stellen. Im Falle des erneuten Antrags auf Restschuldbefreiung verlängert sich die Wohlverhaltensphase von drei auf fünf Jahre.
Erweiterte Abgabepflichten – Geburtstagsgeschenke für den Treuhänder?
Die Regelungen über den Erwerb von Vermögensgegenstände während der Wohlverhaltensphase gemäß § 295 InsO wird insoweit erweitert, dass nunmehr sämtliches Vermögen zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben, welches der Schuldner als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt. Neben Erbschaften ist nunmehr zudem auch Vermögen das der Schuldner durch Schenkung erwirbt zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder abzuführen. Insbesondere die Erfassung von Geldgeschenken dürfte in der Praxis wohl zu Problemen führen. Nimmt man die Vorschrift beim Wortlaut, dürften hiervon wohl auch die Geburtstagsgeschenke des Schuldners erfasst sein. Es mag durchaus hinterfragt werden, ob eine solche Wirkung des Schenkungstatbestands tatsächlich gewollt ist. Auch in Hinblick auf die erfassten „Gewinne“ wird diese Regelung zu Problemen führen, werden dem Wortlaut nach doch auch Kleinstgewinne wie Tombolas, Bingospiele oder ähnliches erfasst. Ebenso wären, vermutlich auch wie bei Schenkungen, Sachgewinne erfasst. Hier sind Streitigkeiten über den Verkehrswert der Gegenstände vorprogrammiert.
Erweiterte Obliegenheiten
Die Schuldner künftiger Insolvenzverfahren treffen strengere Obliegenheiten. Sie werden verpflichtet im Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO zu begründen. Werden dem Insolvenzgericht Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig solche unangemessenen Verbindlichkeiten begründet hat und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat, so hat das Insolvenzgericht nunmehr die Möglichkeit, die Restschuldbefreiung von Amtswegen zu versagen. In Hinblick auf die praktische Verfahrensabwicklung stellt sich auch hier die Frage, ob und wie diese Neuregelung zu behandeln ist. Es kann sicher nicht praktikabel sein, dass die Rechtspfleger sämtliche Verfahren ab dem 01.10.2020 in Hinblick auf die mögliche Verwirklichung dieses Tatbestands im Blick halten müssen.
Erweiterung der Drittmittel
Eine weitere Änderung betrifft die Regelungen der Vergütung des Insolvenzverwalters. Waren in der Vergangenheit nur Zuschüsse die eine Dritte zur Erfüllung eines Insolvenzplans leisten bei der Ermittlung der Berechnungsmasse außer Betracht zu lassen, sind nunmehr auch solche Mittel erfasst, die zum Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung vor Ablauf der Abtretungsfrist geleistet werden. Diese Neuregelung wird im Ergebnis nur auf Altverfahren Anwendung finden dürfen. Hierbei wird es hauptsächlich um Zahlungen zur Erreichung der 35 % Quote gemäß § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO gehen. In der Vergangenheit hätten solche Drittzahlungen gleichzeitig zu einer Erhöhung der Verwaltervergütung geführt und damit die Ermittlung des tatsächlich erforderlichen Betrags zur Erreichung der Quote erschwert. Unter Praktikabilitätsgesichtspunkten dürfte diese Neuregelung zu begrüßen sein.
Befristete Dauer
Die Regelungen über die Verkürzung der Wohlverhaltensphase für Verbraucher, die keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben sind zunächst bis zum 01.07.2025 befristet. Sofern der Bundestag nicht bis zum 30.06.2025 eine andere Entscheidung trifft, gilt ab diesem Zeitpunkt für Verbraucherinsolvenzverfahren wieder die sechsjährige Frist. Damit rechtzeitig vor dem 30. Juni 2025 über eine mögliche Entfristung entschieden werden kann, soll die Bundesregierung dem Bundestag bis zum 30. Juni 2024 über die Auswirkungen der Verfahrensverkürzung auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern berichten.
Fazit und Ausblick
Der verabschiedete Entwurf ist im Ergebnis zu begrüßen, eine Verkürzung der Verfahrensdauern in Verbraucherinsolvenzverfahren war längst überfällig. Für die Insolvenzverwaltung kann der Entwurf auf Grund der aufgezeigten Unklarheiten zu praktischen Problemen führen, hier sind Klarstellungen erforderlich. Betroffene Verbraucher sind hiervon jedoch im Wesentlichen nicht betroffen.