Das Wichtigste im Überblick
- Berufsausübungsgesellschaften müssen ein eigenes beA führen, unabhängig von den persönlichen beA-Postfächern der beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
- Die beA-Pflicht gilt seit dem 1. Januar 2022 für alle anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, unabhängig von ihrer Rechtsform
- Bei Nichterfüllung der beA-Pflicht drohen erhebliche Risiken, darunter Berufsrechtsverletzungen, Fristversäumnisse und Haftungsrisiken
Die neue beA-Pflicht für Berufsausübungsgesellschaften: Was bedeutet das für Ihre Kanzlei?
Mit der Reform des anwaltlichen Berufsrechts haben sich die Anforderungen an Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten grundlegend geändert. Eine der zentralen Neuerungen betrifft das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das nun nicht mehr nur für einzelne Rechtsanwälte, sondern auch für Berufsausübungsgesellschaften verpflichtend ist.
Unsere Kanzlei Römermann Rechtsanwälte ist auf das anwaltliche Berufsrecht spezialisiert und begleitet seit Jahren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei allen berufsrechtlichen Fragestellungen. In diesem umfassenden Leitfaden erfahren Sie alles, was Sie über die beA-Pflicht für Berufsausübungsgesellschaften wissen müssen.
Warum benötigen Berufsausübungsgesellschaften ein eigenes beA?
Die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) für Berufsausübungsgesellschaften stellt einen bedeutenden Schritt in der Digitalisierung der Rechtsbranche dar. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften hat der Gesetzgeber eine klare Vorgabe gemacht: Jede anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft muss ein eigenes beA führen.
Das gesellschaftsbezogene beA ist unabhängig von den persönlichen beA-Postfächern der beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu betreiben. Es handelt sich um ein zusätzliches Postfach, das auf den Namen der Berufsausübungsgesellschaft eingerichtet wird und dem rechtssicheren elektronischen Rechtsverkehr der Gesellschaft dient.
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) richtet für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft ein beA ein. Die Einrichtung erfolgt automatisch nach Eintragung in das Verzeichnis. Die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb des beA werden über die Kammerbeiträge finanziert.
Für welche Gesellschaften gilt die beA-Pflicht?
Die beA-Pflicht gilt für alle anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften gemäß § 59b Abs. 1 BRAO, unabhängig von ihrer Rechtsform. Sie betrifft:
- Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR)
- Partnerschaftsgesellschaften (PartG)
- Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB)
- Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH)
- Aktiengesellschaften (AG)
- Limited Liability Partnerships (LLP)
- Andere Rechtsformen, sofern sie als Berufsausübungsgesellschaften anerkannt sind
Entscheidend ist nicht die Rechtsform, sondern der Status als anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft. Eine solche liegt vor, wenn sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammenschließen. Dies gilt auch für interprofessionelle Zusammenschlüsse, bei denen Rechtsanwälte mit Angehörigen anderer vereinbarer Berufe kooperieren.
Die Einrichtung des beA für Berufsausübungsgesellschaften: Schritt für Schritt
Die Einrichtung eines beA für Ihre Berufsausübungsgesellschaft erfolgt in mehreren Schritten:
1. Aufnahme der Tätigkeit als Berufsausübungsgesellschaft
Die Gesellschaft muss ihre Tätigkeit aufnehmen und dafür ihren beA-Zugang vorbereiten. Ist die Gesellschaft zulassungspflichtig, wird die beA-Registrierung typischerweise im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgeschlossen.
2. Eintragung in das Gesamtverzeichnis
Die Kammer übermittelt die erforderlichen Daten angezeigter oder zugelassener Gesellschaften an die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK).
3. Einrichtung des beA durch die BRAK
Die BRAK richtet nach Erhalt der Daten automatisch ein beA für die Berufsausübungsgesellschaft ein. Gemäß § 31b BRAO führt die BRAK für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach. Die Gesellschaft erhält eine Mitteilung über die Einrichtung des Postfachs.
4. Bestellung der beA-Karte für die Erstregistrierung
Anders als bei der persönlichen beA-Karte eines Rechtsanwalts, benötigt die Berufsausübungsgesellschaft zunächst eine spezielle beA-Karte Basis für die Erstregistrierung. Diese Karte muss von einer vertretungsberechtigten Person der Gesellschaft bestellt werden.
Die Bestellung der beA-Karte erfolgt beim Zertifizierungsdienstleister der BRAK (derzeit die Bundesnotarkammer) über deren Webseite. Dort sind folgende Nachweise hochzuladen:
- Nachweis der Vertretungsberechtigung (z.B. Handelsregisterauszug)
- Nachweis der Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft
- Personalausweis oder Reisepass der vertretungsberechtigten Person, die die Bestellung vornimmt
Die Kosten für die beA-Karte Basis betragen derzeit etwa 29,90 EUR (zzgl. MwSt.) jährlich.
5. Einrichtung der technischen Voraussetzungen
Für die Nutzung des beA benötigen Sie:
- Einen Kartenleser für die beA-Karte
- Die aktuelle Version der beA-Client Security (kostenlos erhältlich)
- Einen internetfähigen Computer mit aktuellem Browser
- Eine stabile Internetverbindung
6. Erstregistrierung und Rechteverwaltung
Nach Erhalt der beA-Karte kann die Erstregistrierung durchgeführt werden:
- Installieren Sie die beA-Client Security
- Rufen Sie die beA-Webseite auf
- Führen Sie die Erstregistrierung durch
- Legen Sie einen Sicherheitsschlüssel fest
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie weitere Berechtigungen für andere Personen in Ihrer Kanzlei einrichten:
- Postfachinhaber: Die Berufsausübungsgesellschaft selbst
- Postfachverwalter: In der Regel eine vertretungsberechtigte Person der Gesellschaft
- Mitarbeiter: Weitere Anwälte oder Mitarbeiter mit individuellen Zugriffsrechten
7. Bestellung weiterer Karten für qualifizierte elektronische Signaturen
Für das Versenden von Nachrichten mit qualifizierter elektronischer Signatur benötigen Sie eine separate Signaturkarte. Diese können Sie ebenfalls beim Zertifizierungsdienstleister der BRAK oder bei anderen zugelassenen Anbietern bestellen.
Die BRAK stellt auf ihrer Webseite umfassende Anleitungen und Video-Tutorials zur Einrichtung und Nutzung des beA für Berufsausübungsgesellschaften zur Verfügung.
Rechtliche Risiken bei Nichterfüllung der beA-Pflicht
Die Nichterfüllung der beA-Pflicht kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Folgende Risiken sollten Berufsausübungsgesellschaften unbedingt beachten:
Berufsrechtliche Konsequenzen
Die Verletzung der beA-Pflicht stellt eine Berufspflichtverletzung dar. Gemäß § 59n Abs. 1 BRAO sind Berufsausübungsgesellschaften verpflichtet, die für Rechtsanwälte geltenden berufsrechtlichen Pflichten zu beachten. Dazu gehört auch die Pflicht zur Einrichtung und Nutzung eines beA.
Bei Verstößen drohen:
- Rügen durch die Rechtsanwaltskammer gemäß § 74 BRAO
- Berufsgerichtliche Maßnahmen nach § 114 BRAO bis hin zu Geldbußen
- Zivilrechtliche Haftungsfälle
Prozessuale Risiken
Besonders schwerwiegend sind die prozessualen Risiken:
- Fristversäumnisse aufgrund nicht empfangener elektronischer Zustellungen
- Unwirksamkeit von Zustellungen, die an ein nicht vorhandenes beA gerichtet sind
- Prozessuale Nachteile bis hin zum Verlust von Rechtsstreiten
- Keine wirksame Zustellung durch das Gericht, wenn die passive Nutzungspflicht gemäß § 31b BRAO i.V.m. § 31a Abs. 6 BRAO nicht erfüllt werden kann
Haftungsrisiken
Aus den genannten Risiken können sich erhebliche Haftungsrisiken ergeben:
- Schadensersatzansprüche von Mandanten bei Fristversäumnissen nach § 280 BGB
- Persönliche Haftung der Gesellschafter für Schäden, die durch die Nichterfüllung der beA-Pflicht entstehen
- Regressansprüche der Berufshaftpflichtversicherung bei grob fahrlässiger Pflichtverletzung
- Gefahr der persönlichen Haftung trotz Haftungsbeschränkung bei berufsrechtswidrigem Handeln
Häufig gestellte Fragen
Muss jede Berufsausübungsgesellschaft ein eigenes beA führen?
Ja, gemäß § 31b BRAO ist seit dem 1. Januar 2022 jede anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft verpflichtet, ein eigenes beA zu führen. Dies gilt unabhängig von der Rechtsform und zusätzlich zu den persönlichen beA-Postfächern der beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft als Berufsausübungsgesellschaft gemäß § 59f BRAO zugelassen und im Gesamtverzeichnis eingetragen ist.
Gilt die beA-Pflicht auch für kleine GbRs mit nur zwei Anwälten?
Ja, die beA-Pflicht gilt unabhängig von der Größe der Gesellschaft. Auch eine GbR mit nur zwei Rechtsanwälten muss ein eigenes beA führen, sofern es sich um eine Berufsausübungsgesellschaft im Sinne des § 59b BRAO handelt und die Gesellschaft zugelassen wurde. Entscheidend ist nicht die Anzahl der Gesellschafter, sondern die gemeinschaftliche Berufsausübung.
Wer trägt die Kosten für das beA der Berufsausübungsgesellschaft?
Die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb des beA werden gemäß § 31b BRAO über die Kammerbeiträge finanziert. Zusätzliche Kosten entstehen für die beA-Zugangskarte, die beim Zertifizierungsdienstleister der BRAK (derzeit die Bundesnotarkammer) bestellt werden muss. Aktuell kostet eine beA-Karte für Berufsausübungsgesellschaften etwa 200 EUR (zzgl. MwSt.) mit einer Gültigkeit von drei Jahren. Hinzu kommen Kosten für notwendige Hardware wie Kartenleser und gegebenenfalls für Signaturkarten, falls qualifizierte elektronische Signaturen erstellt werden sollen.
Wie erfolgt die Zustellung an eine Berufsausübungsgesellschaft?
Zustellungen an eine Berufsausübungsgesellschaft erfolgen über das beA der Gesellschaft. Gemäß § 174 Abs. 3 Satz 4 ZPO gilt die Zustellung als bewirkt, wenn die Nachricht im beA der Gesellschaft zum Abruf bereitgestellt wurde. Für eine Zustellung ist es unerheblich, ob die Nachricht tatsächlich abgerufen wurde.
Nach § 173 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 195 ZPO wird ein elektronisches Empfangsbekenntnis benötigt, das ebenfalls über das beA der Berufsausübungsgesellschaft zurückgesandt werden muss. Die sichere Zustellung (mit Empfangsbestätigung) erfolgt gemäß § 31a Abs. 6 BRAO, wonach der Zugang einer Nachricht an eine Gesellschaft dann bewirkt ist, wenn sie im beA der Berufsausübungsgesellschaft abrufbar ist.
Wer ist für die Kontrolle des beA der Berufsausübungsgesellschaft verantwortlich?
Die Verantwortung für die Kontrolle des beA liegt bei der Geschäftsführung der Berufsausübungsgesellschaft. Es empfiehlt sich, intern klare Zuständigkeiten zu definieren und regelmäßige Kontrollmechanismen zu implementieren.
Was passiert, wenn eine Berufsausübungsgesellschaft kein beA einrichtet?
Bei Nichterfüllung der beA-Pflicht drohen berufsrechtliche Konsequenzen, prozessuale Risiken und Haftungsrisiken. Im schlimmsten Fall kann dies zum Widerruf der Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft führen.
Kann eine Berufsausübungsgesellschaft auf das beA verzichten, wenn alle Gesellschafter bereits ein persönliches beA haben?
Nein, das beA der Berufsausübungsgesellschaft ist zusätzlich zu den persönlichen beA-Postfächern der Gesellschafter erforderlich. Ein Verzicht ist nicht möglich.
Wie unterscheidet sich das beA der Berufsausübungsgesellschaft von den persönlichen beA-Postfächern?
Das beA der Berufsausübungsgesellschaft ist auf den Namen der Gesellschaft eingerichtet und dient der elektronischen Kommunikation der Gesellschaft als eigenständigem Rechtssubjekt. Es ergänzt die persönlichen beA-Postfächer der beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.
Welche technischen Voraussetzungen sind für die Nutzung des beA erforderlich?
Für die Nutzung des beA benötigen Sie einen internetfähigen Computer mit aktuellem Browser, die beA-Client Security, einen Kartenleser und eine beA-Karte für die Berufsausübungsgesellschaft.