Das Wichtigste im Überblick
- Die Beteiligung an Berufsausübungsgesellschaften unterliegt umfassenden regulatorischen Anforderungen, die je nach Berufsgruppe variieren und durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften wesentlich modernisiert wurden.
- Interdisziplinäre Zusammenschlüsse sind heute in größerem Umfang möglich. Bei der Gesellschaftsstruktur ist auf die Einhaltung berufsrechtlicher Besonderheiten zu achten. Mehrheitserfordernisse gelten nur für Gesellschaften, die als „Rechtsanwaltsgesellschaft“ firmieren.
- Die Wahl der richtigen Rechtsform, die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags und die Berücksichtigung haftungsrechtlicher Aspekte sind entscheidend für eine rechtssichere Beteiligung an Berufsausübungsgesellschaften.
Berufsausübungsgesellschaften im modernen Berufsrecht
Die Organisation der beruflichen Tätigkeit in Form von Berufsausübungsgesellschaften hat in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Insbesondere für Angehörige der freien Berufe wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Ärzte oder beratende Betriebswirte bietet die gemeinsame Berufsausübung zahlreiche Vorteile: Synergieeffekte durch Bündelung von Kompetenzen, Kosteneinsparungen durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen und nicht zuletzt die Möglichkeit einer umfassenden, interdisziplinären Beratung aus einer Hand.
Die Beteiligung an Berufsausübungsgesellschaften unterliegt jedoch spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen, die sich aus dem jeweiligen Berufsrecht ergeben. Diese Regularien haben in den letzten Jahren erhebliche Änderungen erfahren – insbesondere durch das „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften“ vom Juni 2021, das am 1. August 2022 in Kraft getreten ist.
Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Entwicklungen sowie praktische Aspekte der Beteiligung an Berufsausübungsgesellschaften und gibt Handlungsempfehlungen für eine rechtssichere Gestaltung.
Voraussetzungen für die Beteiligung an einer Berufsausübungsgesellschaft
Personelle Anforderungen
Die Beteiligung an einer Berufsausübungsgesellschaft ist grundsätzlich an bestimmte personelle Voraussetzungen geknüpft:
- Berufsqualifikation: Je nach Berufsrecht müssen die Gesellschafter über entsprechende Berufsqualifikationen als Freiberufler verfügen.
- Zulassung bei der zuständigen Kammer: Für Rechtsanwälte ist nach der Neuregelung des Berufsrechts in bestimmten Fällen eine Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft selbst erforderlich. Nach § 59f BRAO ist eine Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft notwendig, wenn:
- die Gesellschaft ihren Sitz in Deutschland hat,
- zur Ausübung anwaltlicher Tätigkeiten gegründet wurde und
- mindestens ein Rechtsanwalt oder eine Person nach § 59c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BRAO Gesellschafter ist.
- Beruflicher Kontext: Die Beteiligung muss im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erfolgen und darf nicht primär Kapitalanlagecharakter haben.
Formelle Anforderungen
Neben den personellen Voraussetzungen bestehen auch formelle Anforderungen für die Beteiligung an einer Berufsausübungsgesellschaft:
- Gesellschaftsvertrag: Dieser muss den berufsrechtlichen Vorgaben entsprechen und insbesondere die Einhaltung der berufsrechtlichen Pflichten sicherstellen.
- Anmeldung zum Handelsregister: Bei Kapitalgesellschaften und der Partnerschaftsgesellschaft ist eine Eintragung ins Handelsregister erforderlich.
- Anzeige- und Genehmigungspflichten: Je nach Berufsrecht bestehen unterschiedliche Anzeige- oder Genehmigungspflichten gegenüber den zuständigen Kammern.
- Berufshaftpflichtversicherung: Eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung ist vorzuhalten, wobei die Mindestversicherungssummen je nach Berufsrecht und Rechtsform variieren.
Gestaltung der Gesellschaftsstruktur
Gesellschaftsvertragliche Regelungen
Bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags einer Berufsausübungsgesellschaft sind verschiedene berufsrechtliche Besonderheiten zu beachten:
- Gesellschaftszweck: Der Gesellschaftszweck muss auf die Ausübung des jeweiligen Berufs bzw. der vereinbarten Berufe ausgerichtet sein.
- Gesellschaftsstruktur: Mit der BRAO-Reform zum 1. August 2022 sind die bisherigen Mehrheitserfordernisse für Rechtsanwälte in Berufsausübungsgesellschaften entfallen. Es ist nicht mehr vorgeschrieben, dass Rechtsanwälte in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften grundsätzlich die Mehrheit der Stimmrechte und Gesellschaftsanteile halten müssen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Gesellschaft die Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ führen will. In diesem Fall müssen Rechtsanwälte gemäß § 59p BRAO die Mehrheit der Stimmrechte und der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans stellen.
- Geschäftsführung und Vertretung: Nach der Berufsrechtsreform ist lediglich erforderlich, dass Rechtsanwälte in vertretungsberechtigter Zahl im Geschäftsführungsorgan vertreten sind.
- Gewinnbeteiligung: Die Gewinnbeteiligung kann grundsätzlich frei gestaltet werden, sollte aber angemessen die Beiträge der einzelnen Gesellschafter widerspiegeln.
- Nachfolgeregelungen: Insbesondere bei größeren Gesellschaften sind klare Regelungen für das Ausscheiden und die Nachfolge von Gesellschaftern wichtig.
Corporate Governance in Berufsausübungsgesellschaften
Die Corporate Governance, also die Führungs- und Kontrollstruktur einer Berufsausübungsgesellschaft, muss nach aktuellen rechtlichen Änderungen sowohl den berufsrechtlichen Bestimmungen entsprechen als auch sicherstellen, dass alle Gesellschafter die Berufspflichten einhalten:
- Entscheidungsbefugnisse: Die Verteilung der Entscheidungsbefugnisse sollte klar geregelt sein, wobei zu beachten ist, dass Mehrheitserfordernisse nur für Gesellschaften gelten, die als „Rechtsanwaltsgesellschaft“ firmieren wollen.
- Compliance-Strukturen: Insbesondere in interdisziplinären und größeren Gesellschaften sind Mechanismen zur Sicherstellung der Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten (z.B. Verschwiegenheit, Vermeidung von Interessenkonflikten) zu implementieren.
- Qualitätssicherung: Regelungen zur Sicherstellung der Qualität der beruflichen Leistungen sollten etabliert werden.
- Konfliktlösungsmechanismen: Klare Verfahren für die Lösung von Konflikten zwischen den Gesellschaftern können späteren Streitigkeiten vorbeugen.
Besondere Aspekte der Beteiligung an Berufsausübungsgesellschaften
Haftungsrechtliche Aspekte
Die Haftungsfrage ist ein zentraler Aspekt bei der Beteiligung an einer Berufsausübungsgesellschaft und bei der Wahl der Rechtsform:
- Persönliche Haftung: In Personengesellschaften (GbR, PartG) haften die Gesellschafter grundsätzlich unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen.
- Beschränkte Haftung: Bei der PartGmbB, GmbH oder AG ist die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, sofern eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung besteht.
- Berufshaftpflichtversicherung: Die Anforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung sind je nach Berufsrecht und Rechtsform unterschiedlich:
- Für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften gelten nach § 59o BRAO besondere Mindestversicherungssummen.
- Bei der PartGmbB muss eine erhöhte Berufshaftpflichtversicherung nachgewiesen werden.
- Haftung für berufliche Fehler: Bei der beruflichen Haftung ist zwischen der Haftung für eigenes Verschulden und der Haftung für Fehler anderer Gesellschafter zu unterscheiden. In interdisziplinären Gesellschaften können hier besondere Risiken bestehen.
Aktuelle Entwicklungen
Auswirkungen der Berufsrechtsreform 2022
Die Berufsrechtsreform für anwaltliche und steuerberatende Berufsausübungsgesellschaften hat fundamentale Änderungen gebracht:
- Erweiterung der zulässigen Rechtsformen: Grundsätzlich sind nun alle in- und ausländischen Rechtsformen zulässig.
- Lockerung der Vorgaben für interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen wurden deutlich erweitert. Die bisherigen Mehrheitserfordernisse für Rechtsanwälte in Berufsausübungsgesellschaften sind entfallen.
- Neues Zulassungsregime: Die Berufsausübungsgesellschaft selbst kann nun als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen werden und ist dann postulationsfähig. Wenn die Gesellschaft die Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ führen will, müssen Rechtsanwälte allerdings weiterhin die Mehrheit der Stimmrechte und der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans stellen.
- Fremdkapitalbeteiligung und berufsfremde Gesellschafter: Nach der Reform ist eine Beteiligung von Nicht-Berufsangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Das frühere Mehrheitserfordernis für Berufsträger ist entfallen. Berufsfremde Gesellschafter müssen jedoch die Einhaltung der Berufspflichten gewährleisten, sie dürfen die Berufsausübung nicht beeinträchtigen und unterliegen besonderen Verschwiegenheitspflichten.
- Vereinfachungen für internationale Kanzleien: Der Marktzugang für ausländische Rechtsanwaltsgesellschaften wurde erleichtert.
Digitalisierung und Berufsausübungsgesellschaften
Die Digitalisierung wirkt sich zunehmend auf die Organisation von Berufsausübungsgesellschaften aus:
- Virtuelle Zusammenarbeit: Digitale Technologien ermöglichen eine standortunabhängige Zusammenarbeit in Berufsausübungsgesellschaften.
- Legal Tech und Automatisierung: Die Nutzung von Legal Tech und automatisierten Prozessen verändert die Arbeitsweise und wirtschaftlichen Perspektiven.
- Digitale Geschäftsmodelle: Neue Geschäftsmodelle auf Basis digitaler Technologien gewinnen an Bedeutung und werfen neue berufsrechtliche Fragen auf.
- Datenschutz und IT-Sicherheit: Die gemeinsame Berufsausübung erfordert besondere Maßnahmen im Bereich Datenschutz und IT-Sicherheit, insbesondere bei der Gewährleistung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechtsform ist für eine Berufsausübungsgesellschaft am besten geeignet?
Wie wird die Höhe der Einlage eines neuen Partners bestimmt?
Ist eine Berufshaftpflichtversicherung für eine Berufsausübungsgesellschaft verpflichtend?
Wie wirkt sich die Beteiligung an einer Berufsausübungsgesellschaft steuerlich aus?
Wie kann die Gewinnbeteiligung eines neuen Partners gestaltet werden?
Wie gestaltet man den Gesellschaftsvertrag einer Berufsausübungsgesellschaft optimal?
Welche Anforderungen gelten für die Gesellschaftsstruktur in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften?
Mit der BRAO-Reform zum 1. August 2022 sind die bisherigen Mehrheitserfordernisse für Rechtsanwälte in Berufsausübungsgesellschaften entfallen. Es ist nicht mehr vorgeschrieben, dass Rechtsanwälte in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften grundsätzlich die Mehrheit der Stimmrechte und Gesellschaftsanteile halten müssen.
Für die Geschäftsführung ist lediglich erforderlich, dass Rechtsanwälte in vertretungsberechtigter Zahl im Geschäftsführungsorgan vertreten sind. Die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten wird dadurch sichergestellt, dass die Berufsausübungsgesellschaft selbst und alle Gesellschafter (auch nichtanwaltliche) unmittelbar diesen Pflichten unterliegen.
Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Gesellschaft die Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ führen will. In diesem Fall müssen Rechtsanwälte gemäß § 59p BRAO die Mehrheit der Stimmrechte und der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans stellen. Für andere freie Berufe sollten die spezifischen Regelungen in deren jeweiligen Berufsrechtsreformen geprüft werden.
Wie funktioniert die Zulassung einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft?
Können verschiedene Standorte einer Berufsausübungsgesellschaft unterschiedliche Namen führen?
Was ist bei der Beteiligung an internationalen Berufsausübungsgesellschaften zu beachten?
Wie wirkt sich die zunehmende Digitalisierung auf Berufsausübungsgesellschaften aus?
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