Viele Unternehmen haben in der Pandemie Verluste gemacht. Corona-Hilfen wurden überwiegend als Fremdkapital gewährt und dieses ist zurückzuzahlen. Seit dem 01.10.2020 gilt die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen wieder.

Welche Optionen der Unternehmenssanierung bieten sich?

Als Alternative zum gerichtlichen Eigenverwaltungs- und Regelinsolvenzverfahren soll ab dem 01.01.2021 ein neues Gesetz in Kraft treten, der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (SRR). Das zunächst als Referentenentwurf und seit heute auch als Regierungsentwurf veröffentlichte Gesetzespaket beinhaltet als Kernstück das Unternehmensstabilisierungs- und -Restrukturierungsgesetz (StaRUG). Es bietet Möglichkeiten der Sanierung und Instrumente gerichtlicher Hilfestellungen an, die ein Unternehmen im Zuge geplanter Sanierungsschritte in Anspruch nehmen kann, ohne sogleich in ein Insolvenzverfahren eintreten zu müssen oder sich im Wege eines Insolvenzplanverfahrens zu sanieren. Das Gesetz bietet damit Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Verfahrenshilfen für einen im Kern außergerichtlichen Sanierungsprozess.

Wie sieht das praktisch aus?

Man muss sich das so vorstellen, dass das Unternehmen bereits Verhandlungen mit wesentlichen Gläubigern aufgenommen hat, es aber ganz ohne gerichtliche Hilfe dann doch nicht geht. Man befindet sich also zwischen freien Sanierungsverhandlungen und der Durchführung eines Insolvenzverfahrens über die Gerichte. Hier kommt das neue Gesetz zum Tragen.

Voraussetzung zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfen ist zwar eine Anzeige bei Gericht. Aber das ist nicht vergleichbar mit der komplexen Vorbereitung eines Insolvenzantrages, sondern man muss sich das eher vorstellen wie eine Art Registrierung für den Fall, dass man bestimmte Instrumente nutzen will. Das Verfahren kann dann öffentlich oder auch nichtöffentlich ablaufen. Dabei kann ein durch das Gericht eingesetzter Sanierungsmoderator helfen, welcher bei den Verhandlungen mit den Gläubigern vermittelnd tätig ist und in den ersten Monaten einen Sanierungsvergleich mit vorbereitet.

Welche Instrumente habe ich in diesem Verfahren?

Sollte eine vergleichsweise Einigung scheitern, so hat der Schuldner im Anschluss die Möglichkeit, sich über einen Restrukturierungsplan zu sanieren. Die Besonderheit dabei ist, dass dieser schon bei hinreichender Mehrheit der Planbetroffenen für alle verbindlich ist. Einzelne Gläubiger können so leichter überstimmt werden. Neu ist auch die Möglichkeit, sich von Langzeitverträgen, etwa mit Vermietern, Leasing- und Lizenzgebern, zu lösen. Hier kann erheblicher Druck aufgebaut werden. Denn der Schuldner kann über das Gericht die Beendigung schwebender Verträge aussprechen lassen, für den Fall, dass eine privatautonome Vertragsanpassung gescheitert ist. Bislang war dies nur im Falle der Durchführung eines regulären Insolvenzverfahrens bzw. über ein Insolvenzplanverfahren möglich. Als weiteres Instrument gibt es die Möglichkeit der Stabilisierungsanordnung, d.h. der Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung. Natürlich gibt es auch Grenzen. Eingriffe in Arbeitnehmerrechte inklusive ihrer betrieblichen Altersvorsorge, sollen nicht möglich sein und auch keine Regelungen zur Haftung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung.

Verliert das Unternehmen seine Verfügungsmacht?

Grundsätzlich nein. Die Bestellung einer Restrukturierungsbeauftragten soll nur auf Antrag des Unternehmens und ansonsten nur im Ausnahmefall notwendig sein.

In welchem Fall kann ich mich überhaupt über das StaRUG sanieren?

Das Verfahren soll nur Schuldnern zur Verfügung stehen, die noch nicht insolvenzantragspflichtig sind. Der Schuldner darf im Moment der Anzeige also weder zahlungsunfähig noch überschuldet sein, aber er muss zumindest im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Gerichts zur Umsetzung konkreter Restrukturierungsmaßnahmen drohend zahlungsunfähig sein. Tritt nach Anzeige beim Restrukturierungsgericht Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, so ist dies dem Restrukturierungsgericht anzuzeigen. Bei hinreichender Aussichten auf die Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans dürften die Forderungen allerdings aus Sicht des Unternehmens nicht in gleichem Umfang zu passivieren sein. Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der geplanten Sanierung wird deshalb in diesem vorinsolvenzlichen Verfahren kritisch gesehen. Denn die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist sehr subjektiv geprägt.

Auswirkungen auf die Insolvenzordnung

Um die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung künftig deutlicher abgrenzen zu können, soll der Prognosezeitraum der drohenden Zahlungsfähigkeit fortan 24 Monate und derjenige der Überschuldung 12 Monate betragen. Daraus folgt, dass die Möglichkeit, sich über die Instrumente des StaRUG zu sanieren, nicht mehr in Betracht kommt, wenn die Zahlungsunfähigkeit bereits innerhalb der nächsten 12 Monate eintritt. Zugleich soll die Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung aber von 3 auf 6 Wochen verlängert werden, sodass dem betroffenen Unternehmen ein etwas längerer Verhandlungszeitraum zur Verfügung steht.

Wie sind die Haftungsrisiken bei Nutzung dieses Verfahrens zu beurteilen?

Mit dem StaRUG steigt die Gestaltungsmacht der Geschäftsführer erheblich. Zugleich legt der Gesetzgeber aber besonderen Wert auf ein Frühwarnsystem, das die Organe, aber auch die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in die Pflicht nimmt. Das heißt, je eher dem betroffenen Unternehmen der Zahlungsausfall droht, desto stärker soll das unternehmerische Ermessen im Interesse der Gläubigerschaft eingeschränkt sein. Damit soll ein notwendiges Gegengewicht zu dieser Gestaltungsmacht geschaffen werden.

Wie sind die geplanten Änderungen durch das StaRUG zu beurteilen?

Die gesetzlichen Änderungen dienen der Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie aus dem vergangenen Jahr, die den Mitgliedsländern einen sogenannten präventiven Restrukturierungsrahmen auferlegt hat. Eigentlich hatte der deutsche Gesetzgeber für die Umsetzung 2 Jahre Zeit, aber die Verbesserungen der Sanierungsoptionen sollen nun insbesondere Unternehmen zugutekommen, die aufgrund der Maßnahmen, die zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffen worden sind, in die Krise geraten sind. Weil die Aussetzung für zahlungsunfähige Unternehmen zum 30.09.2020 ausgelaufen ist und die Antragspflicht seit dem 01.10.2020 wieder scharf geschaltet ist, war man insoweit unter Zeitdruck. Man will der erhöhten Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung vieler Unternehmen Rechnung tragen. Von den Änderungen sollen deshalb alle und damit ausdrücklich auch kleine und mittelständische Unternehmen profitieren. Ob dies realistisch ist, muss man sehen. Die fachlichen Anforderungen an den Moderator und den Restrukturierungsbeauftragten sind teilweise auch noch ungeklärt. Zudem bestehen Missbrauchsgefahren, weil der Restrukturierungsplan zwar einzelne Instrumente vorsehen kann, dabei aber nicht vorsieht, darzulegen, in welchem Stadium der Krise sich das Unternehmen befindet. Deshalb könnte versucht werden, das Insolvenzverfahren zu umgehen, indem man Gläubigern Beiträge abzwingt, die sonst nicht zu erlangen wären.

Zunächst lag das geplante Gesetzespaket nur als Referentenentwurf vor, d.h. als ein von der Bundesregierung noch nicht beschlossener Gesetzentwurf (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=4).

Heute hat die Bundesregierung nun den Regierungsentwurf veröffentlicht (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_SanInsFoG.pdf?__blob=publicationFile&v=3)

Aktuell werden die noch offenen Fragen in Expertenrunden intensiv erörtert. Dafür stehen nun aber nur noch wenige Wochen zur Verfügung.

Das Inkrafttreten zum Jahreswechsel wird deshalb mit Spannung erwartet.

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